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Kniechirurgie und Sporttraumatologie

Letzte Rettung für das eigene Knie

Wie eine Beinachsenkorrektur helfen kann, das Kniegelenk möglichst lange zu erhalten

Viele Patienten kommen in die Sportklinik Hellersen mit der Sorge, dass ihre Kniegelenke den Belastungen des Alltags nicht mehr lange standhalten werden. Durch die hohe Expertise der Mediziner und die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Abteilungen können sie sich jedoch sicher sein, dass eine Endoprothese in der Spezialklinik erst dann in Betracht gezogen wird, wenn alle gelenkerhaltenden Maßnahmen ausgeschöpft sind. Die moderne Medizin ermöglicht es, das eigene Kniegelenk möglichst lange zu erhalten. Dr. Volker Stoll, Chefarzt für Kniechirurgie und Sporttraumatologie, erklärt im Interview, welche Rolle dabei die Beinachsenkorrektur spielt.

Foto: Hanna Witte

Wann ist eine Beinachsenkorrektur notwendig?

Dr. Volker Stoll: Eine Beinachsenkorrektur bietet uns die Möglichkeit, das Kniegelenk zu erhalten. Oft kommen Patienten zu uns in die Sportklinik Hellersen mit der Annahme, sie bräuchten unbedingt ein künstliches Kniegelenk. Bei der Untersuchung stellen wir jedoch häufig fest, dass das Knie noch weitgehend intakt ist und nur ein Teil, zum Beispiel die innere Seite, verschlissen ist. Die äußere Seite ist oft noch in einem guten Zustand. In solchen Fällen können wir mit der Beinachsenkorrektur die Belastung von der verschlissenen inneren Seite etwas nach außen verlagern. Viele Patienten berichten, dass sie im Alltag nach dem Eingriff kaum noch Beschwerden haben. Diese differenzierte Behandlungsmöglichkeit ist eine hervorragende Option, um den Einsatz einer Endoprothese – die immer der letzte Schritt sein sollte – hinauszuzögern.

Gibt es Unterschiede bei den Beinachsenkorrekturen?

Dr. Volker Stoll: Ja, es gibt Unterschiede, abhängig davon, ob ein Patient O-Beine oder X-Beine hat. Bei einer Beinachsenkorrektur ist es entscheidend, genau herauszufinden, wo die Fehlstellung liegt.

Bei O-Beinen befindet sich die Fehlstellung oft im Bereich des Schienbeinkopfes. In solchen Fällen wird die Korrektur am Schienbeinkopf vorgenommen. Bei X-Beinen hingegen liegt die Fehlstellung meist im Oberschenkel. Dann führen wir die Beinachsenkorrektur am Oberschenkel durch.

Die genaue Diagnostik ist hierbei entscheidend, um den Eingriff individuell anzupassen und das bestmögliche Ergebnis für den Patienten zu erzielen.

Foto: Ruslan Guzov | freepik.com

„Der gesamte Prozess ist gut planbar und führt in den meisten Fällen zu einer deutlichen Verbesserung der Beschwerden.“

Dr. Volker Stoll
Chefarzt der Kniechirurgie und Sporttraumatologie

Wie ist das Vorgehen und wie läuft die Operation ab?

Dr. Volker Stoll: Der Eingriff dauert in der Regel etwa eine Stunde. Dabei wird der Unterschenkel an der entsprechenden Stelle angesägt und vorsichtig aufgeklappt, um die Beinachse zu korrigieren. Anschließend fixieren wir die neue Stellung mit einer kleinen, sehr leichten Titanplatte, die mit winkelstabilen Schrauben befestigt wird.

Sobald der Knochenschnitt vollständig verheilt ist, kann die Platte in der Regel nach etwa einem Jahr wieder entfernt werden. Der gesamte Prozess ist gut planbar und führt in den meisten Fällen zu einer deutlichen Verbesserung der Beschwerden.

Wie schnell sind die Patienten nach so einer Operation wieder fit?

Dr. Volker Stoll: Die Patienten können bereits am Tag der Operation aufstehen und das Kniegelenk bewegen. Allerdings ist die Belastung in den ersten sechs Wochen auf maximal 10 Kilogramm begrenzt. Nach dieser Phase führen wir eine Kontrolluntersuchung durch. Wenn alles gut verheilt ist, dürfen die Patienten die Belastung schrittweise steigern.

Etwa 8 bis 10 Wochen nach dem Eingriff können sie das Knie wieder vollständig belasten und sich im Alltag ohne Gehhilfen bewegen. Da sich jedoch die Statik des Beins verändert hat, ist es wichtig, anschließend ein gezieltes Muskelaufbau- und Koordinationstraining durchzuführen. Die Patienten spüren den größten Nutzen aus der Operation in der Regel nach sechs bis zwölf Monaten.

Vor der Beinachsenkorrektur

Nach der Beinachsenkorrektur

Kann ich mit einer Beinachsenkorrektur ein künstliches Gelenk vollständig umgehen?

Dr. Volker Stoll: Ja, das ist durchaus möglich. Wenn man die Muskulatur gezielt stärkt und das Gelenk entlastet, kann dies dazu beitragen, die Notwendigkeit einer Prothese deutlich hinauszuzögern. Besonders mit zunehmendem Alter ist es wichtig, die Gelenke schonender zu behandeln und die Belastung zu reduzieren, da sich die Anforderungen an die Gelenke im Vergleich zu jüngeren Jahren verändern. Sollte es jedoch irgendwann notwendig werden, eine Endoprothese einzusetzen, ist dies jederzeit möglich. Dank der engen Zusammenarbeit und des intensiven interdisziplinären Austauschs mit dem Fachbereich Endoprothetik können individuelle Lösungen gefunden werden. Bei der Knieprothese wird zwischen einer Vollprothese und einer Teilprothese – der sogenannten Schlittenprothese unterschieden. Die Schlittenprothese kommt zum Einsatz, wenn nur ein Teil des Kniegelenks, meist die Innenseite, von Verschleiß betroffen ist und durch ein künstliches Gelenk ersetzt werden muss. Voraussetzung dafür ist, dass die gegenüberliegende Seite noch keinen fortgeschrittenen Knorpelschaden aufweist und das Kreuzband intakt ist. In diesen Fällen können solche Teilprothesen eingesetzt werden, bevor gegebenenfalls ein vollständiger Gelenkersatz erforderlich wird. Da die Menschen heute immer älter werden, müssen wir differenzierte Lösungen entwickeln, die den Patienten auch bis ins hohe Alter ein aktives Leben ermöglichen.