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Spezielle Wirbelsäulenchirurgie

Rollstuhl ade!

Wie ein Patient nach Schmerz, Verzweiflung und Hoffnung zurück auf die Beine kam

Foto: freepik.com

Vom aktiven Kampfsportler hin zu einem Patienten mit schweren chronischen Schmerzen und gravierenden Rückenproblemen in den vergangenen Jahren musste Jan Plomann tiefgreifende Veränderungen in seinem Leben bewältigen. Was mit einem leichten Ziehen im Rücken und gelegentlichen Beschwerden begann, entwickelte sich zu massiven Schmerzen und einem Leben im Rollstuhl. Die Ursache seiner Beschwerden: Eine angeborene Spondylolisthesis, auch bekannt als Wirbelkörpergleiten. Nach mehreren Operationen in anderen Krankenhäusern fand er erst bei Liang Zhou, Leitender Arzt der Speziellen Wirbelsäulenchirurgie im Deutschen Wirbelsäulen- und Skoliosezentrum der Sportklinik Hellersen, die medizinische Betreuung, die er sich gewünscht hatte.

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Was ist Spondylolisthesis?

Spondylolisthesis, auch als Wirbelkörpergleiten bekannt, ist eine Erkrankung der Wirbelsäule, bei der sich ein Wirbelkörper nach vorne über den darunterliegenden schiebt. Diese Fehlbildung oder Instabilität kann angeboren sein, durch degenerative Veränderungen im Alter entstehen oder durch Überbelastung, Verletzungen oder Unfälle verursacht werden.

Typische Symptome sind Rückenschmerzen, die oft in die Beine ausstrahlen, Bewegungseinschränkungen sowie Muskelverspannungen und Schwäche in den Beinen. In schweren Fällen kann es zu Nervenschädigungen oder sogar zu Querschnittslähmungen kommen.

Im Jahr 2019 begann für Jan Plomann, einen 28 Jahre alten Mann, eine schmerzhafte und schwere Zeit voller ungeahnter Herausforderungen. Als durchtrainierter und aktiver Mensch verbrachte er seine Freizeit mit ausgiebigem Kampfsporttraining. Doch mit einem Nabelbruch, der während eines Trainingskampfes entstand, schlichen sich die ersten Beschwerden ein. Schon zuvor hatte er gelegentliche Schmerzen und ein Ziehen im Rücken bemerkt. Außerdem stellte sich heraus, dass ein zuvor eingesetztes Netz nach einem Leistenbruch gerissen war und sowohl einen Nerv als auch den Samenkanal einklemmte.

Die Kombination dieser Verletzungen führte zu erheblichen Bewegungseinschränkungen – ein Zustand, der es unmöglich machte, weiterhin Sport zu treiben oder die für ihn so wichtigen Dehnübungen auszuführen. Dies trug dazu bei, dass sich seine körperliche Verfassung stetig verschlechterte. Erst nach gründlichen Untersuchungen wurde schließlich ein angeborenes Wirbelkörpergleiten diagnostiziert eine seltene Fehlbildung, die in seinem Fall schwere Beschwerden verursachte.

„Beim Wirbelkörpergleiten handelt es sich um eine Fehlbildung, bei der die Struktur des Wirbelkörpers getrennt ist. Unter Belastung, etwa durch Sport oder langfristige Beanspruchung, rutscht der betroffene Wirbelkörper nach vorne. Dies führt dazu, dass die Nervenwurzeln mitbewegt werden, während die Bandscheibe nach hinten gedrängt wird. Diese Verschiebung kann die Nerven reizen oder einklemmen, was starke Schmerzen und Bewegungseinschränkungen zur Folge hat“, erklärt Liang Zhou, Leitender Oberarzt der Speziellen Wirbelsäulenchirurgie.

Die erste Operation, die in einem Krankenhaus in der Schweiz durchgeführt wurde, brachte jedoch keine vollständige Linderung: Das gerissene Netz in der Leiste, ein Splitter im Knie und die fehlende Physiotherapie verhinderten, dass er die nötigen Übungen für seinen Rücken durchführen konnte. „Im Nachhinein erfuhr ich, dass bei der Operation offenbar kein ausreichender Platz für den Spinalkanal gelassen worden war. Diese Komplikation führte zur Entwicklung einer Spinalkanalstenose, die schließlich eine zweite Rückenoperation notwendig machte“, berichtet Jan Plomann.

Im Dezember 2021 unterzog er sich in einem anderen Krankenhaus einer zweiten Rückenoperation, bei der eine Fixierung durchgeführt wurde. Zwar verspürte er nach dem Eingriff eine Linderung der chronischen Nervenschmerzen, besonders im linken Bein, doch die zahlreichen Operationen insgesamt vier innerhalb eines Jahres belasteten seinen Körper stark. Neben den zwei Rückenoperationen waren auch Eingriffe an der Leiste und am Nabel erforderlich, was seine Bewegungsfähigkeit weiterhin stark einschränkte.

„Die Ärzte haben sich Zeit genommen, mich als Mensch wahrzunehmen und genau hinzuschauen. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar.“

Patient Jan Plomann

Was ist Spinalkanalstenose?

Bei der Spinalkanalstenose kommt es zu einer Verengung des Spinalkanals, der das Rückenmark und die Nerven enthält. Bei dieser Verengung geraten die Nerven unter Druck, was verschiedene Beschwerden verursachen kann. Die häufigsten Ursachen sind degenerative Veränderungen wie Arthrose oder Bandscheibenverschleiß, knöcherne Wucherungen, verdickte Bänder, Verletzungen oder angeborene Fehlbildungen.

Zu den typischen Symptomen gehören Rückenschmerzen, die häufig in die Beine ausstrahlen, Kribbeln, Taubheitsgefühle oder Schwäche in den Extremitäten. Viele Betroffene berichten von Schmerzen, die beim Gehen oder Stehen zunehmen, während sich die Beschwerden durch Vorbeugen oder Hinsetzen oft lindern lassen.

Nach der Operation war der junge Mann weiterhin auf einen Rollstuhl angewiesen und litt unter starken Schmerzen, die jede Bewegung nahezu unmöglich machten. Mehrere Stürze und offene Wunden dokumentierten seinen verzweifelten Versuch, ein normales Leben zu führen. Erst als er in der Sportklinik Hellersen ankam, fühlte er sich zum ersten Mal ernst genommen. „Die Ärzte haben sich Zeit genommen, mich als Mensch wahrzunehmen und genau hinzuschauen. Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar“, betont er.

In der Speziellen Wirbelsäulenchirurgie des Deutschen Wirbelsäulen- und Skoliosezentrums an der Sportklinik Hellersen wurde der Patient zunächst eingehend untersucht. „Der Zustand des Patienten war äußerst kritisch. Die Muskulatur in beiden Beinen war vollständig zurückgebildet und es fehlte jegliche Kraft. Aus klinischer Sicht lag eine Querschnittslähmung vor“, berichtet der Leitende Oberarzt. Um die Ursache der Querschnittslähmung zu klären, wurde Jan Plomann zunächst an einen Neurologen überwiesen, um neurologische Erkrankungen auszuschließen. Alle durchgeführten Untersuchungen, einschließlich Kernspintomographie und elektronischer Diagnostik, ergaben jedoch keine wesentlichen Befunde, die die Querschnittslähmung erklärten. „Nach der zweiten Operation waren der Bandscheibenersatz sowie die oberen und hinteren Schrauben locker. Die hintere Struktur des Wirbelkörpers war entfernt, was zu einer vollständigen Instabilität der vorderen Segmente führte. Die Implantate versagten nach der zweiten Operation, was wir als Hauptursache für die Beschwerden identifizierten und einen erneuten Eingriff erforderlich machte“, erklärt Liang Zhou. Während des Eingriffs wurden die Implantate und der Bandscheibenersatz ausgetauscht.

„Der Zustand des Patienten war äußerst kritisch. Die Muskulatur in beiden Beinen war vollständig zurückgebildet, und es fehlte jegliche Kraft. Aus klinischer Sicht lag eine Querschnittslähmung vor.“

Liang Zhou
Leitender Oberarzt der Speziellen Wirbelsäulenchirurgie

Während des Eingriffs wurden die Implantate und der Bandscheibenersatz erfolgreich ausgetauscht.

Nach der Operation verspürte der Patient erste Besserungen. Besonders die dauerhaften Nervenschmerzen, die zuvor sein linkes Bein belastet hatten, ließen nach. Doch der Weg zur Genesung war steinig. Eine spätere Entzündung führte zu weiteren Krankenhausaufenthalten, Antibiotikabehandlungen und erneuten Eingriffen. Kurz darauf erlitt er einen Darmverschluss, der ihn erneut zurückwarf. „Ich wollte einfach nicht mehr. Mein Körper war am Ende, entzündet, erschöpft. Hätte mir jemand gesagt, dass ich so brechen könnte, hätte ich es nicht geglaubt“, reflektiert er.

Trotz dieser schweren Zeit kämpfte er sich zurück ins Leben. Bereits zur ersten Nachuntersuchung erschien Jan Plomann zu Fuß und nutzte dabei Gehhilfen zur Unterstützung. Die Rückenschmerzen hatten deutlich nachgelassen und auch die Muskulatur in den Beinen begann sich wieder aufzubauen. „Natürlich gibt es weiterhin Einschränkungen kämpfen werde ich wohl nie wieder. Aber ich bin dankbar, dass ich stehen und laufen kann.“ Besonders das Heben von Gewichten bleibt problematisch; schon wenige Kilogramm können starke Schmerzen auslösen. Doch durch Geduld, Akzeptanz, Meditation und die Unterstützung seiner Familie und Freunde hat er gelernt, mit den Einschränkungen zu leben.