Der Knick-Senkfuß – Ein Balanceakt für die Füße
Vom harmlosen Knick-Senkfuß bei Kindern zum schmerzhaften Problem im Erwachsenenalter
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Foto: Freepik
Wenn der Knick-Senkfuß während der Kindheit nicht einfach „rauswächst“, kann er die Beweglichkeit und Lebensqualität massiv einschränken. Andrea Knichel, Leitende Ärztin für Fuß- und Sprunggelenkchirurgie und Kinderorthopädie an der Sportklinik Hellersen, erklärt, worauf Eltern achten sollten – und welche modernen Behandlungsmöglichkeiten es sowohl für Kinder als auch für Erwachsene gibt.
Was ist ein kindlicher Knick-Senkfuß und wie äußern sich erste Symptome?
Andrea Knichel: Der sogenannte Knick-Plattfuß zeigt sich bei Kindern mit Beginn des Laufens und ist dann vollkommen normal, da sich die Muskulatur, die das Fußgewölbe stützt, erst an die Belastung gewöhnen muss. Zudem ist während der ersten Monate des Laufens ein flaches Fußgewölbe durch das noch dicke Fußfettpolster unter dem Längsgewölbe bedingt. Mit zunehmendem Alter und der Stärkung der Muskulatur richtet sich der Fuß auf und das Fettpolster reduziert sich.
Ein bleibender Knick-Senkfuß ist erst bis zum Ende des Fußwachstums (bei Mädchen mit ca. 12, bei Jungen mit 14 Jahren) zu beobachten. Der Innenknöchel steht dabei prominent hervor, der Fuß ist im Sprunggelenk deutlich nach innen geneigt und die Schuhe werden innenseitig asymmetrisch abgelaufen. Im Kindesalter treten meistens keine Schmerzen auf – Beschwerden zeigen sich oft erst, wenn das Schuhwerk einen unangenehmen Druck auf den Fuß ausübt. Besonders ausgeprägt betroffen sind Kinder mit Muskelschwäche oder motorischen Einschränkungen.
Und wie sehen die Anzeichen und Symptome im Erwachsenenalter aus?
Andrea Knichel: Erwachsene leiden unter belastungsabhängigen Schmerzen im Mittel- und Rückfuß. Dies kann sowohl die Lauf- und Sportbelastung als auch die Arbeitsfähigkeit einschränken.
Ein erworbener Knick-Senkfuß entsteht durch die zunehmende Schwäche oder die Verletzung einer Sehne an der Fußinnenseite. Die Belastung wird von den tragenden Gelenkstrukturen und Bändern nicht mehr aufgefangen. Mit dem Alter nimmt die Elastizität und Stabilität der Weichteilstrukturen ab. Es folgt die zunehmend schmerzhafte Fehlstellung mit Absenken des Fußlängsgewölbes und Einknicken des Sprunggelenks nach innen. Manchmal beginnen die Veränderungen auch schmerzlos z. B. bei Diabetikern oder Rheumapatienten.
Bei angeborenen oder von Kindheit an bestehenden Knick-Senkfüßen treten Schmerzen oft ohne spezifisches auslösendes Ereignis im Erwachsenenalter auf. Diese entwickeln sich schleichend und treten verstärkt ab dem 30. bis 40. Lebensjahr auf.
Video: Was Eltern wissen sollten: Knick-Senkfuß bei Kindern
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Welche Rolle spielen äußere Faktoren?
Andrea Knichel: Mangelnde Bewegung im Kindesalter und das kindliche Übergewicht spielen eine entscheidende Rolle. Und auch die Schuhwahl ist maßgeblich: Schuhe sollten immer genau passen und auf keinen Fall zu klein sein. Für den kindlichen noch im Wachstum befindlichen Fuß gilt dies ganz besonders, weshalb der Fuß beim Schuhkauf regelmäßig vermessen werden sollte. Eine gute Rückfußfassung und ein solides Fußbett sind zu empfehlen.
Das beste Training für die Füße bleibt jedoch der Barfußgang. Hier werden die Fußmuskeln trainiert und die Sensomotorik zur stabilen Fußstellung aktiviert. Erwachsene betrifft die richtige Schuhwahl genauso. Übergewicht und mangelndes Training können den Fuß zudem buchstäblich „platt laufen“.
Wie wird ein Knick-Senkfuß bei Erwachsenen und Kindern diagnostiziert?
Andrea Knichel: Die Diagnose eines Knick-Senkfußes erfolgt sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen durch eine gründliche Untersuchung. Dabei wird der Fuß barfuß unter Stand- und Gehbelastung beurteilt. Zudem wird der Zehengang getestet, um feste Fehlstellungen oder Fehlstellungen durch gerissene Sehnenstrukturen von noch flexiblen Fehlstellungen zu unterscheiden. Feste Fehlstellungen können bei Kindern auf angeborene knöcherne Verbindungen im Fuß zurückzuführen sein, bei Erwachsenen häufig auf fortgeschrittene Arthrosen im Mittel- oder Rückfußbereich. Hier ist die individuell angepasste Behandlung mit bzw. ohne Operation gefragt.
Neben der körperlichen Untersuchung ist bei Kindern zusätzlich eine Röntgendiagnostik notwendig, um die Knochenstruktur und das verbleibende Fußwachstum beurteilen zu können. Auch bei Erwachsenen erfolgt eine Röntgenuntersuchung, um das Ausmaß der Fehlstellung und mögliche Gelenkverschleißerscheinungen zu erfassen. Ergänzend ist das MRT ein wichtiges Diagnosemittel, um die Weichteilstrukturen wie Sehnen und Kapseln – insbesondere an der Innenseite des Fußes – sowie die Knochenqualität und mögliche Überlastungsreaktionen zu beurteilen. Diese Informationen sind entscheidend für die Wahl der individuell angepassten Therapie.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei Knick-Senkfüßen bei Kindern?
Andrea Knichel: Die Behandlung eines Knick-Senkfußes bei Kindern beginnt in den meisten Fällen mit konservativen Maßnahmen. Bei einem flexiblen Knick-Senkfuß liegt der Fokus darauf, die Fußmuskulatur zu stärken. Barfußlaufen ist dabei besonders effektiv, da es die Muskeln trainiert und gleichzeitig die sensorische Steuerung des Fußes verbessert. Ergänzend kann bei eingeschränkter Beweglichkeit oder verkürzter Wadenmuskulatur Krankengymnastik helfen, die Fußstellung zu bessern. Hierbei ist die Mitarbeit der Eltern entscheidend, da die Übungen regelmäßig zu Hause wiederholt werden müssen, um eine Besserung zu erzielen. Beim einfachen alltäglichen Spielen der Kinder wird der Körper zusätzlich ganzheitlich gefordert und trainiert.
Schuheinlagen sind bei Kindern mit einer normalen muskulären und motorisch unauffälligen Entwicklung hingegen bei einem flexiblen Knick-Senkfuß nicht notwendig. Diese werden nur bei Entstehung von Druckstellen oder Schmerzen im Schuh angepasst. Eine Lenkung des Fußwachstums in die „richtige“ Richtung kann hierdurch nicht erreicht werden. Kinder mit überbeweglichen Gelenken oder die unter einer Muskelschwäche leiden, benötigen hingegen stützende Schuheinlegen oder Fußorthesen.
Video: Knick-Senkfuß bei Erwachsenen: Symptome erkennen und richtig handeln
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Wann ist die Operation bei Kindern notwendig?
Andrea Knichel: Eine operative Behandlung wird in der Regel nur dann in Betracht gezogen, wenn die Fehlstellung ausgeprägt ist oder Schmerzen auftreten. Der ideale Zeitpunkt liegt zwei Jahre vor dem Abschluss des Fußwachstums (bei Mädchen meist mit 9 Jahren, bei Jungen ab 10). Ziel einer solchen Operation ist das restliche Wachstum der Füße zur Korrektur auszunutzen. Hierzu wird ein minimaler Eingriff am Fuß durchgeführt, um das Abknicken des Fußes nach innen zu verhindern. Durch den Eingriff wird der Fuß rund um die Uhr in der richtigen Position gehalten, sodass er in die gewünschte Richtung wachsen kann.
Diese Methode – genannt Arthrorise – ist effektiv und nachhaltig, da der Fuß 24 Stunden am Tag wächst und nur so eine dauerhafte Korrektur erreicht werden kann. Schuheinlagen können dies nicht leisten, da sie lediglich für begrenzte Zeit am Tag getragen werden. Wachstumslenkungen im Kindesalter können mit sehr geringem Aufwand eine große Wirkung für die Zukunft erreichen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei einem Knick-Senkfuß im Erwachsenenalter?
Andrea Knichel: Korrekturen der Knick-Plattfüße im Erwachsenenalter sind meist sehr umfangreich und erfordern eine lange Behandlungszeit. Die Behandlung erfordert ein stadiengerechtes Vorgehen, da die Schwere der Deformität und der Zustand von Sehnen, Gelenken und Knochen variieren können. Im frühen Stadium, in dem die Sehne – Tibialis-posterior-Sehne – noch nicht gerissen ist, stehen konservative Maßnahmen im Vordergrund. Schmerzen und Schwellungen treten hier häufig bei Belastung auf, aber der Fuß hat sich noch nicht abgesenkt. Zunächst wird die Sehne mit stützenden Schuheinlagen entlastet, sodass sie sich erholen kann. Anschließend sind gezielte Kräftigungsübungen erforderlich, um ein Wiederauftreten zu verhindern.
In den fortgeschritteneren Stadien, wenn bereits strukturelle Veränderungen an Sehnen oder Gelenken vorliegen, muss die Therapie individuell angepasst werden. Ist die Fehlstellung flexibel und allein durch einen Sehnendefekt verursacht, kann ein gelenkerhaltender Eingriff vorgenommen werden. Dabei wird die geschädigte Sehne durch eine gesunde Sehne ersetzt. Zusätzlich ist eine Korrektur der Fersenposition erforderlich, um die Statik des Fußes zu verbessern. Liegt jedoch eine Arthrose, ein ausgeprägter Gelenkverschleiß, in den beteiligten Gelenken vor, ist die Korrektur der Fehlstellung durch eine Versteifung des unteren Sprunggelenkes erforderlich.
„Einem Knick-Senkfuß kann man sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen durch gezielte Maßnahmen vorbeugen.“
Andrea Knichel
Leitende Ärztin der Fuß- und Sprunggelenkchirurgie und Kinderorthopädie
Gibt es Alternativen zur Operation?
Andrea Knichel: Für Patienten, für die ein operativer Eingriff mit hohen Risiken verbunden ist, ist ein orthopädischer Maßschuh das Sinnvollste. Dieser wird nach einem Gipsabdruck oder einer Laservermessung maßgefertigt. Er bettet und stützt den Fuß und das Sprunggelenk in der vom Fuß vorgegebenen Stellung und reduziert so Überlastungsschmerzen und Druckstellen.
Sowohl gelenkerhaltende als auch gelenkopfernde Operationen erfordern eine intensive und lange Nachbehandlung. Bei regelrechter Ausheilung ermöglichen sie aber den Erhalt der Mobilität und idealerweise Schmerzfreiheit im Alltag.
Wie kann man einem Plattfuß vorbeugen?
Andrea Knichel: Mit gezielten Maßnahmen können sowohl Kinder als auch Erwachsene einem Knick-Senkfuß vorbeugen. Bei Kindern ist es besonders wichtig, dass sie regelmäßig spielerisch und sportlich die Muskulatur trainieren. Das Barfußlaufen im Sommer draußen oder mit Stoppersocken drinnen ist ein weiteres wichtiges Element, das die Fußmuskulatur, Koordination und Sensomotorik verbessert. Zudem ist ein gesundes Körpergewicht wichtig, da Übergewicht die Füße überbelastet und ihre Entwicklung beeinträchtigt. Passende Schuhe sind essenziell: Sie sollten regelmäßig in Länge und Breite dem Fußwachstum angepasst werden, um ein Rutschen des Fußes im Schuh zu vermeiden. Schuhe mit einer guten Bettungseinlage geben dem Fuß einen angenehmen Tragekomfort, medizinische Schuheinlagen sollten nur in speziellen Fällen eingesetzt werden.
Auch Erwachsene können durch die oben genannten Maßnahmen die Gesundheit ihrer Füße erhalten. Es ist wichtig, frühzeitig auf Warnzeichen wie Schmerzen oder Veränderungen der Fußstellung zu reagieren und einen Spezialisten zu Rate zu ziehen. Ein gesundes Körpergewicht spielt auch hier eine zentrale Rolle, da zum einen eine mechanische Überlastung der Füße vermieden wird und zum anderen Folgeerkrankungen, wie Diabetes, der zu erheblichen Fußfehlstellungen führen kann, deutlich seltener auftritt.
Gelegentliches Barfußlaufen und gezielte Übungen zur Kräftigung der Fußmuskulatur können auch dem Erwachsenenfuß helfen, seine Form zu bewahren. Bei der Schuhwahl ist eine gute Passform wichtiger als der modische Gedanke.

