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Zukunftsmedizin: Wie Roboter den OP-Saal revolutionieren
Chefarzt Dr. Stefan Schmidl zu roboterassistierter Chirurgie und künstlicher Intelligenz in der Endoprothetik
Als Leiter des Robotik-Zentrums der Sportklinik Hellersen bringt Dr. Stefan Schmidl fundierte Erfahrung im Bereich roboterassistierter Chirurgie mit. Insbesondere in der Knie-Endoprothetik ist er Experte in der Anwendung der innovativen Technik. In einem Interview berichtet Dr. Stefan Schmidl, wo die Zukunft der Endoprothetik liegt und welche Rolle er selbst dabei spielt.
Herr Dr. Schmidl, welche Möglichkeiten bietet die roboterassistierte Chirurgie?
Dr. Stefan Schmidl: Schon heute ermöglicht die roboterassistierte Technik eine deutlich präzisere, individuell auf den Patienten abgestimmte Implantation – und wir stehen hier gerade erst am Anfang. Die Kombination mit Künstlicher Intelligenz und die damit verbundene Auswertung von vielen Daten aus vorangegangenen operativen Versorgungen mit Robotik wird in den kommenden Jahren viele weitere Möglichkeiten eröffnen, von denen unsere Patientinnen und Patienten spürbar profitieren werden.
Von welchen Vorteilen profitiert der Patient bereits jetzt?
Dr. Stefan Schmidl: Ein Fortschritt zeigt sich zum Beispiel in der Beinachsenkorrektur: Durch den Einsatz des Roboters werden Abweichungen wie X- oder O-Beine deutlich reduziert. Die Ausrichtung der Implantate erfolgt millimetergenau über den gesamten Bewegungsablauf hinweg.
Zudem ist ein besonderer Vorteil die intraoperative dynamische Beurteilung der Bandspannung mit Probeimplantaten über den gesamten Bewegungsablauf. Noch bevor die originalen Implantate eingebaut werden, lassen sich somit Veränderungen vornehmen und auf die individuellen intraoperativen Verhältnisse Einfluss nehmen. So kann die Stabilität, Passform und Funktion in Echtzeit überprüft und bei Bedarf direkt angepasst werden. Die kontinuierliche Datenerfassung während der Operation bietet darüber hinaus die Möglichkeit, individuelle Feinjustierungen direkt vorzunehmen – noch bevor das endgültige Implantat eingesetzt wird.
Haben Sie bereits mit unterschiedlichen Robotersystemen gearbeitet?
Dr. Stefan Schmidl: Im Robotik-Zentrum der Sportklinik Hellersen arbeiten wir mit der VELYS Robotic-Assisted Solution von DePuy Synthes. Dabei handelt es sich um ein speziell für die orthopädische Chirurgie entwickeltes System. Zuvor habe ich an der ENDO-Klinik Wuppertal mit dem Rosa Knee System von Zimmer Biomet gearbeitet, einem Roboter eines amerikanischen Unternehmens. Die Handhabung ist ähnlich, die VELYS Robotic-Assisted Solution ist jedoch etwas feingliedriger.
Welche Innovationen bietet die künstliche Intelligenz zukünftig, wo wird die Reise hingehen?
Dr. Stefan Schmidl: Die enorme Datenmenge, die der Roboter während des Eingriffs sammelt, bietet ein riesiges Potenzial – insbesondere dann, wenn diese Daten mithilfe intelligenter Auswertung sinnvoll interpretiert werden. So lässt sich die präoperative Planung künftig noch individueller und präziser auf die jeweilige Anatomie und die Bandverhältnisse des Patienten abstimmen.
Aktuell ist dafür vor allem viel Erfahrung nötig. Ein erfahrener Operateur erkennt, ob ein Knie eher kontrakt oder lax ist und entscheidet entsprechend, ob das Implantat straffer eingebaut wird oder mehr Rotation benötigt. Ziel ist es, solche Einschätzungen künftig durch valide, datenbasierte Analysen zu unterstützen – oder sogar zu ersetzen.
So kann technische Innovation helfen, subjektive Erfahrungswerte zu objektivieren und die Lernkurve deutlich zu verkürzen – zum Vorteil von Chirurgen und vor allem der Patienten.
Wie sehen Ihre Pläne als Chefarzt aus, was ist Ihr Ziel für die Weiterentwicklung der Endoprothetik Hellersen?
Dr. Stefan Schmidl: Langfristig ist die Etablierung des Fast-Track- beziehungsweise Early-Recovery-Konzept mein Ziel. Hier geht es um eine intensive, ganzheitliche Patientenbetreuung vor, während und nach der Prothesen-Operation. Durch gezielte Maßnahmen wie eine frühe Mobilisation bereits am Operationstag, intensive physiotherapeutische Begleitung und individuelle Vorbereitung können wir die Erholungszeit deutlich verkürzen. Solche kleinen, aber wirkungsvollen Stellschrauben helfen zudem das Risiko für Komplikationen wie Thrombosen, Embolien oder Lungenentzündungen weiter zu reduzieren. Zudem ist mir die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit allen beteiligten Fachbereichen besonders wichtig, um das Konzept nachhaltig umzusetzen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt für mich auf der kontinuierlichen Weiterentwicklung der robotergestützten Chirurgie – um die Präzision und Individualisierung der Eingriffe weiter zu verbessern und die Qualität der Versorgung auf höchstem Niveau zu halten.
Anfang des Jahres setzte die Sportklinik Hellersen als erste Klinik in Nordrhein-Westfalen die VELYS Robotic-Assisted Solution von DePuy Synthes ein.
Video: VELYS™️ Robotic Assisted Solution von Johnson & Johnson MedTech Orthopaedics (DePuy Synthes)