„Olympia ist ein Erlebnis, das man nicht vergisst“
Chefarzt Dr. Stefan Nolte ist als Verbandsarzt der Sportschützen mittendrin, wenn Sportgeschichte geschrieben wird

Foto: privat
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Die Olympischen Spiele sind ein Traum von vielen Sportlerinnen und Sportlern. Aber auch für die Menschen, die sie auf diesem Weg begleiten, ist das sportliche Großevent ein prägendes Erlebnis. Für Dr. Stefan Nolte, Verbandsarzt der Deutschen Sportschützen und Chefarzt der Konservativen Orthopädie im Deutschen Wirbelsäulen- und Skoliosezentrum an der Sportklinik Hellersen, ist Olympia längst zu einem festen Kapitel in seiner beruflichen Laufbahn geworden. Seit über 25 Jahren betreut er die Sportschützen des Deutschen Schützenbundes und hat sie bei zahlreichen internationalen Wettkämpfen begleitet. Seine olympischen Stationen reichen von Athen 2004 über London 2012 und Rio de Janeiro 2016 bis hin zu Paris 2024. Damit gehört er zu den erfahrensten deutschen Mannschaftsärzten im internationalen Sport. Anlässlich der Spezialausgabe berichtet der Verbandsarzt über seine Aufgaben im olympischen Umfeld und über die unvergesslichen Momente auf internationaler Bühne.
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Herr Dr. Nolte, Sie begleiten die Sportschützen seit vielen Jahren. Wenn Sie zurückblicken: Was macht diese Aufgabe für Sie so besonders?
Dr. Stefan Nolte:
Die Olympischen Spiele sind in jeder Hinsicht ein Ausnahmezustand. Meine erste Teilnahme war 2004 in Athen, und schon damals habe ich gespürt, wie einzigartig die Atmosphäre ist. Hier sind die besten Athleten der Welt versammelt, alle sind hochkonzentriert und gleichzeitig auch voller Emotionen. Es ist für mich ein Privileg, die Sportschützen seit über 25 Jahren zu begleiten. Dieses Vertrauen, das über so lange Zeit entsteht, ist ein Geschenk.
Wie genau sieht Ihr Einsatz bei den Olympischen Spielen aus?
Dr. Stefan Nolte:
Ich bin der Arzt, der immer da ist – auch dann, wenn es nichts zu tun gibt. Am liebsten ist mir die Zeit, in der kein Sportler verletzt oder krank ist. Aber natürlich gibt es Belastungsbeschwerden, Überlastungssyndrome oder kleinere Infekte, die behandelt werden müssen. Für die Athleten ist es wichtig zu wissen, dass jemand an ihrer Seite ist, der sie kennt, ihre Sorgen ernst nimmt und sie schnell wieder fit macht.
Wie unterscheidet sich die medizinische Arbeit bei Olympia von Ihrem Alltag in der Sportklinik Hellersen?
Dr. Stefan Nolte:
Im Kern ist es ähnlich, denn auch bei uns in der Klinik behandeln wir viele Sportler mit orthopädischen Problemen. Der Unterschied liegt im Umfeld und in den Umständen. Bei Olympia schwingt beispielsweise immer das Thema Doping mit. Da wir hier extrem wachsam sein müssen, wird jedes Medikament genaustens geprüft. Und dann ist da der Druck, unter dem die Athleten stehen. Medizinisches Wissen allein reicht nicht aus. Oft bin ich auch einfach Zuhörer, jemand, der beruhigt und Vertrauen schenkt.

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Gibt es Momente, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Dr. Stefan Nolte:
Rio 2016 war ein Höhepunkt. Unsere Schützen haben damals gleich drei Gold- und zwei Silbermedaillen gewonnen. In Paris 2024 war es Florian Peter, der in einem olympischen Finale stand und nur knapp die Medaillenränge verpasst hat. Solche Augenblicke sind unvergesslich, weil man das Herzklopfen und die Anspannung hautnah miterlebt. Ich saß im Publikum und habe bis zur letzten Sekunde mitgefiebert.
Sie sprechen vom olympischen Geist. Was bedeutet das für Sie persönlich?
Dr. Stefan Nolte:
Es ist schwer in Worte zu fassen. Im olympischen Dorf zu sein, Menschen aus aller Welt zu begegnen, Sportler, die ihr Leben diesem Moment widmen – das ist etwas, das man so nur bei Olympia erlebt. Es ist ein Gefühl von Gemeinschaft, aber auch ein starker Antrieb, das Beste zu geben, egal ob auf dem Feld oder im medizinischen Team.
Die Sportklinik Hellersen ist seit ihrer Gründung eng mit dem Leistungssport verbunden. Welche Rolle spielt das in Ihrem Alltag?
Dr. Stefan Nolte:
Die Klinik wurde nach dem zweiten Weltkrieg gegründet, um Sportlern eine Versorgung zu ermöglichen, die sonst keine Absicherung hatten. Dieser Gedanke prägt uns bis heute. Von den Schützen über Radfahrer bis hin zu den Fußballerinnen betreuen wir seit Jahrzehnten Athleten aus unterschiedlichen Disziplinen. Das ist Teil unserer Identität und macht uns zu einem besonderen Partner für den Leistungssport.
„Es ist ein Gefühl von Gemeinschaft, aber auch ein starker Antrieb, das Beste zu geben, egal ob auf dem Feld oder im medizinischen Team.“
Chefarzt Dr. Stefan Nolte
Verbandsarzt der Sportschützen
Nun war Paris Ihr vierter Olympia-Einsatz. Glauben Sie, dass es Ihr letzter war?
Dr. Stefan Nolte:
Ich weiß es noch nicht. Olympia ist jedes Mal ein Erlebnis, das man nicht vergisst. Aber irgendwann kommt der Moment, an dem man den Staffelstab weitergeben sollte. Ob ich 2028 in Los Angeles noch einmal dabei sein werde, wird sich zeigen. Sicher ist: Jeder Einsatz war ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte.